Über Prof. Dr. Olga Kordonouri:

Ich bin Kinderdiabetologin und arbeite am Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT in Hannover. Neben der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes und ihrer Familien forsche ich, um Wege für die Verhinderung der Erkrankung aber auch um bessere Möglichkeiten für ihre Behandlung zu finden. 

Wenn ihr mir eine Frage stellen oder eure eigene Geschichte erzählen möchtet, schreibt gerne in die Kommentare unter meinem Blogbeitrag. Ich freue mich darauf, euch zu antworten!

Aus meiner letzten Sprechstunde

Gestern kam der sechsjährige Tobias mit seinen Eltern in die Sprechstunde. Ganz stolz erzählte er mir von seiner Geburtstagsparty, die er mit seinen neuen Freunden aus der Schule gefeiert hatte. Er zählte die Geschenke auf und berichtete von der Schnitzeljagd, die seine Eltern für die lebhafte Gruppe der Erstklässler organisiert hatten. Seine Mutter saß daneben, lächelte zufrieden und wirkte stolz auf ihren Sohn. Der Vater erinnerte ihn an den sonnigen Urlaub auf Mallorca in den Herbstferien, wie er ununterbrochen im Meer geschwommen ist, während ich in Hannover mit Jacke und Schal unterwegs war. Ich freute mich riesig über das fröhliche Familienbild und erinnerte mich gleichzeitig an die noch ganz andere Situation, als die beiden Eltern vor einem Jahr mit Tobias im Stadium einer diabetischen Ketoazidose und in schlechtem Zustand zu uns in die Klinik kamen.

Die Nachricht, dass Tobi nun Typ-1 Diabetes hat und ein ganzes Leben lang Insulin spritzen muss, hatte sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Ihre Fragen „wie schaffen wir es?“ und „wird Tobias wieder ein normales Leben haben können?“ standen damals im Mittelpunkt. Mit Hilfe unseres Diabetesteams lernte die Familie alles über Typ-1-Diabetes: wie man eine Insulinpumpe bedient, wie man Blutzucker misst oder den Kohlenhydratgehalt der Nahrung berechnet. Sie wurden zunehmend zuversichtlicher, vor allem als sie erkannten, dass Tobias mit der richtigen Therapie wieder der Alte und bald auch ein Experte wurde, z.B. wenn es ums Blutzuckermessen ging.

Bei den ersten Terminen in der Sprechstunde gab es noch viele Fragen. Jede neue Situation zu Hause fühlte sich wie eine große Herausforderung an, doch die Familie meisterte alle davon mit Bravour. Von mir bekamen sie die Bestätigung, dass sie alles gut gemacht hatten. Kurz vor dem Schulbeginn absolvierte Tobias erstmalig alleine eine Schulung: Fit für die Schule. Zusammen mit sieben weiteren angehenden Erstklässlern verbrachte er zwei lange Vormittage bei uns. Er lernte alle über Diabetes im Schulalltag, was für ihn wichtig ist, worauf er achten muss, spielte und arbeitete konzentriert mit seinen Kameraden. Am Ende der Schulung zeigte er ganz stolz seinen Eltern seine erste Urkunde und hatte auch seine „Notfallbox“ für die Schule selbst gebastelt.

Aus diesen Gedanken riss mich die Frage der Mutter: „Sagen Sie uns bitte Frau Kordonouri, wie können wir an der Freder1k-Studie teilnehmen? Wir erwarten in einigen Monaten unser zweites Kind und möchten wissen, ob es ein erhöhtes Risiko besitzt, auch Diabetes zu bekommen.“ Ich erklärte ihnen, dass sie die Möglichkeit haben, bei ihrem Neugeborenen an den ersten Lebenstagen, am besten in Kombination mit dem regulären Neugeborenen-Screening, durch zwei Tropfen Blut bestimmen zu lassen, ob es ein hohes genetisches Risiko (über 10 Prozent) besitzt, Typ-1-Diabetes zu bekommen. „Wir wollen es wissen, Frau Kordonouri. Wir wissen, dass Diabetes gut behandelbar ist und wir wollen nicht wieder überrascht werden.“

Über diese Aussage freute ich mich sehr, zeigt sie doch, dass sowohl unsere medizinische als auch unsere wissenschaftliche Arbeit für die Familien wertvoll ist. Genau das ist für mich der Ansporn für meine tägliche Arbeit und deshalb freue ich mich auch auf jede neue Sprechstunde.